Als BMW Mitte der 1950er Jahre die Isetta als Lizenzbau des italienischen Motorradherstellers Iso Rivolta aus der Taufe hob, entwickelte sich das kleine Rollermobil zum Firmenretter des finanziell angeschlagenen Autobauers. Und zum Symbol des deutschen Wirtschaftswunders.
Zwischen 1955 und 1962 verkauften die Bayern 161.728 kleine Knutschkugeln. Und als man um 2009 erstmals davon sprach ein elektrisches Fahrzeug für die Großstadt bauen zu wollen, da vermuteten viele, der BMW i3 würde eine neue Isetta werden.
Wurde es nicht – und doch: Die Idee eines kleinen elektrischen Rollermobils haben wohl noch immer einige im Kopf.
Google gebirt es nun.
In Form eines optisch an die Isetta erinnernden, pedal- und lenkradlosen Fahrzeugs, dass eine Revolution der persönlichen Mobilität herbeiführen könnte.
Es ist der nächste “Moonshot” von Google.
Als solche bezeichnet der Konzern Projekte, die nicht vorrangig finanzielle Gewinne sondern allgemeinen Fortschritt versprechen. Der Begriff verweist auf die berühmte Rede John F. Kennedys, in der er Anfang der 1960er Jahre das Ziel ausgibt bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu schießen.
Nun also ein Auto. Von einer Suchmaschine?
Die Ambitionen der Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page im Bereich autonomes Fahren sind nicht neu. Bereits seit einigen Jahren treiben sie entsprechende Projekte voran. Dass man in Mountain View aber bereits soweit ist, ein eigenes Fahrzeug mit entsprechender Technik als Produkt vorzustellen, dass dürfte nicht nur Journalisten sondern auch so manchen Experten aus der Automobil-Industrie überrascht haben.
Gerüchte und Hinweise indes gibt es natürlich bereits seit geraumer Zeit. Schon seit Jahren bastelt Google an autonomen Fahrzeugen, im Mai 2012 erhielt man erstmals die Genehmigung ein entsprechendes Fahrzeug auf öffentlichen Straßen selbst fahren lassen zu dürfen und im August 2013 tuschelte man von einem eigenen “Google Auto”. Mit der Premiere nun aber gelingt Google tatsächlich ein Coup – dass man soweit ist, hätten wohl nur wenige gewettet.
Das Google Car. Ein Fahrzeug ohne Lenkrad und Pedale – ein sich selbst fahrendes Auto, vollkommen autonom?
Die Idee hinter dem Projekt ist eine kleine Revolution – die sich zu einer großen auswachsen könnte.
Autonom fahrende Taxis sind der wohl erste Ansatz. Eine neue Mobilität für Blinde oder Behinderte, die selbst kein Auto mehr fahren können, der nächste Schritt.
Fahren wir alle bald nicht mehr selbst?
Die Vorteile liegen sicherlich auf der Hand: Wir hätten mehr Zeit um beispielsweise zu arbeiten, lesen, entspannen. Und in der Regel fährt ein Roboter einfach besser, sicherer. Der wird nicht müde, ist immer aufmerksam, reagiert nicht aus einem Impuls heraus mit einem falschen Manöver.
In den USA kommen jährlich 33.000 Menschen bei Autounfällen ums Leben. Weltweit sind es 1,2 Millionen. Page und Brin schwebt nicht weniger vor als diese Zahl gegen Null laufen zu lassen. Dabei zeigt das Moonshot-Projekt einen Weg auf. Auch, wenn die ersten bereits von einer Google-Hochzeit mit Tesla schwärmen – das Google Car wird von einem nicht näher spezifizierten Elektromotor angetrieben – darf bezweifelt werden, dass Google selbst irgendwann zu einem Autobauer wird. Viel eher schwebt dem Konzern wohl vor, die Machbarkeit aufzuzeigen – und im zweiten Schritt sicherlich auch, an der Technologie zu verdienen. Eine Ehe mit Tesla oder einem anderen Hersteller sehe ich jedoch nicht.
Der jetzt vorgestellte Prototyp des Google Car ist ein erste Schritt auf dem Weg zum autonomen Serienfahrzeug. Noch im Sommer will man mit einem etwas größer angelegten Projekt in Kalifornien starten. Binnen zwei Jahren soll eine Testflotte von 100 Fahrzeugen beweisen, dass die Technik sicher ist und helfen, sie stetig weiter zu entwickeln. Bis 2020 will man soweit sein, die Technologie serienreif zu haben und tatsächlich in Autos verbauen zu können.
Noch sollen die Prototypen nicht schneller als 25 mph (also rund 40 km/h) fahren – das aber könnte sich bald ändern.
Google indes ist nicht das einzige Unternehmen, dass im Bereich autonomes Fahren entwickelt. Erst vor wenigen Monaten hatte Volvo sein Programm “Drive Me” für autonomes Fahren vorgestellt, bei dem man bis 2017 rund 100 autonome Fahrzeuge in Stockholm auf die Straßen bringen will. Volkswagen arbeitet seit rund zehn Jahren an dem Thema. Audi lässt seine Prototypen in Nevada ebenfalls schon allein fahren. Mercedes absolvierte erst im September eine vielbeachtete Fahrt mit einer autonomen S-Klasse. Und im autonom fahrenden BMW durfte ich letztes Jahr selbst bereits mitfahren. Was die Programme der großen Hersteller und Zulieferer (wie Continental) jedoch gemein haben: Sie sollen den Fahrer “nur” entlasten, zum Beispiel auf Autobahn-Touren, nicht gänzlich ersetzen. Google indes geht es revolutionärer an – verzichtet auf alle Steuerungsmöglichkeiten für den Fahrer, der sich ganz und gar dem Auto anvertrauen soll.
Ob das von den Menschen in dieser Konsequenz akzeptiert wird – sich so auszuliefern – bleibt abzuwarten. Auch das wird das Google Projekt aufzeigen.
Google, und auch andere Hersteller, zeigen mit den ersten Prototypen bereits auf, wohin die Reise geht: Wir werden die Händer zukünftig wohl öfter vom Steuer nehmen können. In Verbindung mit Car-to-X-Kommunikation – also Fahrzeuge, die mit Ampeln, Baustellen und anderen Autos Informationen austauschen können – dürfte das Autonome Fahren technisch schon Ende des Jahrzehnts serienreif sein. Davon geht nicht nur Google aus.
Die Frage ist: Wollen wir Autofahrer das?
Und daneben sind die wichtigsten Fragen wohl weniger, ob ein Auto autonom fahren wird können. Es sind eher Fragen wie: Wie schirme ich ein Fahrzeug gegen eine fremde Übernahme – also Hacking – ab? Was passiert, wenn ein vollkommen steuerungsfreies Fahrzeug wie das von Google mal “nicht mehr weiter weiß”. Und wie verhält es sich, wenn mein autonomes Fahrzeug einen Unfall verursacht.
So verriet Werner Huber, Leiter der Forschungsgruppe Fahrerassistenz bei BMW, schon vor einem Jahr: Dass man im Jahr 2020 technisch so weit sei stehe eigentlich außer Frage. Was wirklich lang dauert, sind die rechtlichen Aspekte. So habe man bereits Jahre benötigt, um den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass der Notbremsassistent die Bremslichter selbst aktivieren darf – denn eigentlich ist es verboten, dass ein Auto ohne Zutun des Fahrers Signale gibt. Beim autonomen Fahren sei der Weg deshalb noch lang …
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